nimmer & nimmermehr (2015)

Uraufführung: 8. Mai 2015, Kampnagel Hamburg

Ist eine Aufführung anders, je nachdem, ob Kinder oder Erwachsene sie sich ansehen? Und kann man die Erwartungen eines jungen Publikums etwa besser vorausahnen und erfüllen, als die einer erwachsenen Zuschauerschaft?

Für Antje Pfundtner in Gesellschaft stellt sich nicht die Frage, was Kinder und Jugendliche sehen wollen, wenn sie ins Theater gehen (zumal ihre Eltern oder Lehrer*innen die Aufführung meist mit ihnen zusammen besuchen wollen), sondern warum Kinder und Jugendliche einer anderen Zielgruppe zugeordnet werden als erwachsende Zuschauer*innen: Gibt es irgendetwas, worüber wir mit Kindern und Jugendlichen nicht reden dürfen? Welches sind wiederum die gemeinsamen Themen und Tabus, die uns alle treffen und betreffen?

Mit ihren Kinder- und Jugendstücken („nimmer“ und „Für mich“) erforscht Antje Pfundtner in Gesellschaft die Schnittstellen und Differenzen der jeweiligen Zielgruppen und widmet sich der Frage, wie Erwachsene und Kinder bzw. Jugendliche sich eine Aufführung teilen. Kann eine Aufführung zwei so verschiedene Publika tragen und welches Stück entsteht aus der Koexistenz von Kindern und Erwachsenen?

Auf Kampnagel Hamburg präsentiert Antje Pfundtner die ersten Ergebnisse dieser Fragestellung und die Fortführung ihres (Kinder-)Stücks „nimmer“, das 2014, im Rahmen des Projekts „Choreographie der Nachbarschaft“, bei K3 – Zentrum für Choreographie | Tanzplan Hamburg Premiere hatte.

Für „nimmer und nimmermehr“ hat Antje Pfundtner Kinder im Grundschulalter und Erwachsene nach ihren persönlichen Erfahrungen und ihrem Umgang mit dem Verschwinden befragt.

Jeder von uns kann von Dingen oder Menschen erzählen, die verschwunden sind: auf plötzliche, auf mysteriöse, auf traurige Art und Weise, überraschend oder geplant. Aber wie geht Verschwinden überhaupt, kann man das Verschwinden sehen? In „nimmer & nimmermehr“ teilen sich Kinder und Erwachsene ihre Erinnerungen und begegnen dadurch einander und zahlreichen verschwundenen Dingen.

Die Kinder- und Jugendstücke von Antje Pfundtner in Gesellschaft entlassen ihre Zuschauer*innen mit der zeitlos gültigen Frage: „Wie geht es nach dem Hier und Jetzt weiter?“. Das Alter ist dabei völlig egal.

Idee & Konzept, Choreografie & Performance: Antje Pfundtner
Dramaturgie: Anne Kersting
Musik: Christoph Grothaus
Ausstattung: Yvonne Marcour
Licht: Michael Lentner
Ton: Manuel Horstmann
Künstlerische Assistenz: Juliana Oliveira
Produktion: DepArtment/ Katharina von Wilcke und Hannah Melder
Dramaturgische Beratung: Moos van den Broek

Mit Texten von: Antje Pfundtner und Anaïs Vaugelade, Steinsuppe. Bilderbuch. Aus dem Französischen von Tobias Scheffel. © 2000 Moritz Verlag, Frankfurt/M. www.moritzverlag.de/index.php?article_id=136

„nimmer & nimmermehr“ ist eine zweiteilige Projektreihe in Koproduktion mit Kampnagel Hamburg, HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Dresden, FFT Düsseldorf und K3 – Zentrum für Choreographie | Tanzplan Hamburg im Rahmen von „Choreographie der Nachbarschaft“ – Ein TANZFONDS PARTNER Projekt. „nimmer & nimmermehr“ wird gefördert durch die Freie und Hansestadt Hamburg, Kulturbehörde, den Fonds Darstellende Künste e.V., die Hamburgische Kulturstiftung und modul-dance.

Fotos

Fotos: Anja Beutler

Presse

„‚nimmer’ nimmt uns mit in gewagte erzählerische und räumliche Konstruktionen, die von Steinsuppen, vom Schaudern, von einem Skelett, von Schnee und verlorenen Socken handeln. In der Gegenwart der Spielerin, in den Bewegungen und Erzählungen, blitzt die Flüchtigkeit auf. ‚nimmer’ braucht die Geduld der Schauenden: Im musikalisch verdichteten Nebel fällt das Spurenlesen nicht immer leicht, wenn alles was war, was ist, was wird, im selben Moment seine fragile Ordnung im Verschwinden offenbart. Beeindruckend konkret, bemerkenswert direkt, beachtlich anders trägt ‚nimmer’ diese Flüchtigkeit vor, mit einer Leichtigkeit, die ohne Gram über das Verschwundene und Wiedergefundene erzählt. ‚nimmer’ erschafft Momente, in denen wir über die Gegenwärtigkeit der Bewegungen einen unendlichen Raum der sich wiederholenden Vorgänge erkennen. Die Kompositionen des Verwunderlichen, diese Fragen nach dem Verschwinden und Wiederfinden trägt ein Körper in den Bewegungen durch den Raum vor. Antje Pfundtner ist für das Publikum ein spiegelndes Gegenüber, das sich unheimlich nah heranbeugt und dann wieder weit entfernt. Wie ein Vermessungsingenieur ein Gelände kartografiert, so untersucht sie den theatralen Raum immer wieder neu. Sie entdeckt Skurriles, legt allerhand Absurditäten frei, die mal Komödie (Wie kommt ein Kind in einen Kühlschrank?), mal Tragödie (das tanzende Skelett) gekonnt verwebt. Hinter dem Aufdecken und Verborgenhalten scheinen unsere Vorstellungen und Denkmodelle zur Vergänglichkeit durch. Es ist zum Innehalten wie zum aus der Haut fahren.“ Steffen Moor/ Kurator „Augenblick mal!“ Festival 2015

„Warum funktioniert diese scheinbar bescheidene Performance je auf ihre Art bei Kindern und Erwachsenen? Weil, so wie es eigentlich bei allen choreografischen Arbeiten sein sollte, die Kraft im Maß liegt und in der genauen Zuordnung der Dinge. Hier Wort und Raum, da Bewegung und Klang, im Spiel mit der Fantasie als einer Schwester der Wahrheit. Und die ist bekanntlich konkret.“ Boris Michael Gruhl/ tanznetz.de

„Im Nachgang habe ich noch viel über diese Produktion nachgedacht und komme zu dem Schluss, dass sie ein großes Wissen über Kinder als Publikum zeigt. Hier hat die Künstlerin ihr Verständnis des kindlichen Wesens genutzt, um das Verständnis des ‚Theaters für Kinder’ herauszufordern. Sie begegnet den Kindern unter kindlichen Prämissen, aber in einer mutigen, ungewöhnlichen und anderen Form. Und nicht zuletzt begegnet sie dem Ernst der kindlichen Erfahrung von Vergänglichkeit und Verlust auf eine kluge und zugleich originelle Weise.“ Mariken Lauvstad

„Das Label Hoffnungsträgerin soll ihr als Choreografin-Tänzerin gelten, aber es gilt auch – in ihrer Person – stellvertretend für die Künstler, die sich mit einem Stück explizit an ein bestimmtes Publikum wenden. Die Zielgruppe hat einen Namen: Kinder. Trotzdem kann sich in Pfundtners Fall jeder das Stück anschauen. Besser noch: Sollte! Pfundtners ‚nimmer’ ist klug (…), es hat Witz.“ Melanie Suchy/ Zeitschrift „tanz“